Die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tôkyô 2020 stoßen in Japan nicht nur auf Gegenliebe. Es gibt neben viel Zustimmung auch beachtlichen Widerstand.
Weithin Ablehnung schlägt dem wichtigsten Sportfest der Welt insbesondere aus der japanischen Anti-Atomkraft-Bewegung entgegen. Deren Mitglieder fürchten, dass das als „Wiederaufbau-Spiele“ (fukkô gorin 復興五輪) proklamierte Mega-Event dazu missbraucht wird, den Atomunfall von Fukushima vergessen zu machen und dass die für Olympia benötigten Ressourcen den Betroffenen der Dreifachkatastrophe von 2011 verloren gehen.
„Im Augenblick sollten wir so etwas nicht tun“, ist eine der am häufigsten zu vernehmenden Aussagen zu Tôkyô2020. Olympia werde politisch missbraucht, so heißt es ferner. Um der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Situation in der betroffenen Region wieder in Ordnung sei, würden 2011 evakuierte Gebiete unter Ausübung ökonomischen Zwangs trotz noch immer deutlich erhöhter radioaktiver Strahlung mehr und mehr repatriiert. Dem Motto von den „Wiederaufbau-Spielen“ setzen manche Kritiker daher den Begriff von den „Wiederaufbau-Behinderungs-Spielen“ (fukkô bôgai gorin 復興妨害五輪) entgegen.
Genuine Olympiagegner kritisieren darüber hinaus sportliche Großereignisse im Kern. Sie begründen, ähnlich wie Olympiagegner weltweit, ihre Ablehnung sozialpolitisch und aus bürgerrechtlicher Perspektive. So steht Olympia als Motor der Gentrifizierung und des Sozialabbaus sowie der Vertreibung von Obdachlosen aus dem Stadtbild auch in Tôkyôin der Kritik. Großprojekte würden mittels gigantischer Umverteilungen von öffentlichem Kapital in privatwirtschaftlichen Profit realisiert. Der US-Politologe Jules Boykoff spricht in diesem Zusammenhang von Celebration Capitalism (shukuga shihonshugi 祝賀資本主義). Damit einher gingen wachsender Nationalismus und ein negativer Einfluss auf die demokratische Kultur.
Olympias hoher ethischer Selbstanspruch, so glauben viele ferner, sei längst nicht mehr mit der sozialen Realität großer Sportorganisationen mit ihren Problemen zwischen verbreiteter Korruption und strukturell gefördertem Doping in Einklang zu bringen.
Dr. phil. Andreas Singler (*1961) ist Journalist, Japanologe und Sportwissenschaftler. Seit vielen Jahren setzt er sich mit den problematischen Aspekten des modernen Hochleistungssports auseinander. Als Japanologe beschäftigt er sich mit japanischer Protestkultur, insbesondere mit der Anti-Atomkraft-Bewegung und dem Widerstand gegen Tôkyô2020. Im Berliner EB-Verlag erschien 2018 der Band „Sayônara Atomkraft. Proteste in Japan nach ‚Fukushima'“ .
#Greenwashing is one of the characteristics of @Tokyo2020 and modern #Olympics. On the other hand the chief of the organising committee and former Prime Minister. #MoriYoshiro, demanded the restart of nuclear power plants in #Japan for the sake of the Olympics. #credibility https://t.co/kjcTFK5BxV
— Andreas Singler (@AndreasSingler) December 3, 2019
"Gerade jetzt braucht Japan die Kraft dieses Traumes." - Aufnahme März 2013 Nähe Tôkyô-Ueno.
June2, eviction toward homeless people occurred in Shibuya and 2 were arrested. 1 was released but 1 have been caught yet. And worse, large number of police forcibly did home search and body search to another protester yesterday morning. Stop oppressing the poor! https://t.co/V94ZJZGP1p
— 反五輪の会 NO OLYMPICS 2020 (@hangorinnokai) 19. Juni 2019
【緊急声明】共謀罪、断固反対!!
— 反五輪の会 (@hangorinnokai) 2. Februar 2017
反五輪の会は、思想・良心・表現の自由に反し、警察監視社会を強化する共謀罪に断固反対します!人権よりも五輪が大事?「五輪ファースト」おことわり!平和を脅かす祭典オリンピックはいらない!https://t.co/AbJj5FqnSb pic.twitter.com/5fK9A9Qm5S
#Tokyo2020's opposing @HangorinNoKai acitivist Ichimura Misako reports on @OurPlanetTV about her trip to #PyeongChang2018.https://t.co/qFLgzjfoYr
— Andreas Singler (@AndreasSingler) 26. Februar 2018
◆国賠提訴:拡散願い◆
— オリンピック追い出しヤメロ応援する有志 (@noolympicevict) 12. März 2018
『明治公園オリンピック追い出しを許さない国賠訴訟』
3/14(水)東京地裁にて提訴!
2013~16年、都立明治公園で野宿住人に襲いかかった退去強制に対し
生活を踏み荒らしたJSC、東京都、執行官、国を法廷に引き摺り出し
オリンピックによる暴挙を白日に曝す。注目応援を pic.twitter.com/6DOa8RQeWf
Couldn’t be more embarrassed with what I’m witnessing. We are sailors, and apparently a ‘green’ sport @worldsailing #sorrynature #openingceremony 😢 pic.twitter.com/3hgF1eXEAq
— Luke Patience (@patience_luke) 9. September 2018
Für die im September 2013 vom IOC in Buenos Aires beschlossene Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tôkyô gab und gibt es in Japan nicht nur Zustimmung. Aus Kreisen der Anti-Atom-Bewegung schlägt diesem Vorhaben weitestgehende Ablehnung entgegen. Das Geld, das für Olympia verbraucht würde, gehe dem Wiederaufbau der betroffenen Katastrophenregionen in Tohoku und insbesondere in der Präfektur Fukushima verloren, so heißt es. Darüber hinaus hat sich mit der Hangorin no Kai, der "Vereinigung gegen die Olympischen Spiele", eine gesonderte, verhältnismäßig kleine Protestbewegung etabliert, die auf Probleme aufmerksam macht, wie sie in vielen Ausrichterstätten diskutiert werden: Gentrifizierung, Verdrängung von Obdachlosen aus dem Stadtbild, mangelnde Nachhaltigkeit beim Bau von Großarenen etc.. In eine ähnliche Richtung geht die im Januar 2017 gegründete "Nein Danke-Verbindungskonferenz zu 'olympischen Schäden'".
http://www.2020okotowa.link/20171216-2/
https://www.andreas-singler.de/olympia-in-tokyo-2020-東京五輪/anti-olympic-activists-反五輪活動団/
Die Proteste gegen Olympia in Tokyo 2020 sind Gegenstand augenblicklicher japanologischer Forschung, u.a. an der Universität Frankfurt (siehe https://www.japanologie.uni-frankfurt.de/58719888/Olympia2020_Tokyo---Goethe-Universitaet.pdf).