
Die Fischer der kleinen Insel Iwaishima in der Japanischen Inlandsee haben es wieder einmal geschafft. Energieversorger Chûgoku Denryoku hat aufgrund der Proteste und Störaktionen seine Vorbereitungsarbeiten für den Bau des Atomkraftwerks Kaminoseki zunächst eingestellt bzw. "temporär verschoben". Die Pläne des Unternehmens konterkarieren indessen Japans Olympia-Inszenierung als supernachhaltige "Wasserstoff-Nation" und entlarven diese als typisch olympisches Doublespeak.
Kaminoseki, Präfektur Yamaguchi. Eigentlich wollte das Energieunternehmen Chûgoku Denryoku (Chûden) dieser Tage seine schon mehrmals verschobenen Vorbereitungsarbeiten zum Bau des seit fast 40 Jahren in Planung befindlichen Atomkraftwerks in Kaminoseki in der Japanischen Inlandsee fortsetzen. Wieder einmal ist daraus nichts geworden. „Die Arbeiten auf See sind temporär verschoben worden“, meldete der Fernsehsender NHK am vergangenen Freitag. „Aufgrund der gegen das Projekt protestierenden Bürger*innen können die Arbeiten nicht auf sichere Weise durchgeführt werden. Daher wurde die Verschiebung beschlossen.“
Gegen den geplanten Bau des AKW demonstrieren zahlreiche Bürger*innen in der Region seit Bekanntwerden der Pläne 1982, insbesondere die Bewohner*innen der dem vorgesehenen Baugelände gegenüberliegenden Insel Iwaishima. Das Eiland mit derzeit rund 400 Bewohner*innen liegt etwa vier Kilometer entfernt von der Bucht von Tanoura (Insel Nagashima), vor der Chûden für den Bau des Kraftwerks Landaufschüttungen plant. Mit anderen Worten: das Meer dort soll zubetoniert werden.
Dafür muss das Unternehmen sicherstellen, dass sich unter dem geplanten AKW keine aktive Verwerfung (katsudansô 活断層) befindet. Die dafür notwendigen Bohrungen mussten über Jahrzehnte aufgrund der Störungen auf See durch lokale Fischer oder Kajakfahrer immer wieder verschoben werden.
Hintergrund:
Hashimoto Hisao: "Einen Ort, der durch Atomkraft leuchten würde, habe ich nicht gefunden":
Literatur zu Iwaishima:
A. Singler (2018). "Die Insel des Widerstandes gegen das geplante AKW Kaminoseki." In: Sayonara Atomkraft: Proteste in Japan nach "Fukushima". Berlin: EB-Verlag, S. 209 ff.
Olympisches Doublespeak: Die Mär von der nachhaltigen Wasserstoff-Nation Japan
Mit Tôkyô 2020, dem anachronistischen Projekt Olympische und Paralympische Spiele 2021, wollten Regierung, Hauptstadt-Präfektur und die Organisatoren der Spiele Japan als eine sich einmal mehr modernisierende, technologie-affine und zugleich nachhaltige Nation der Welt präsentieren. Japan als Wasserstoff-Nation, so das Branding des Gastgeberlandes dieser Spiele. Olympische Einrichtungen und Fahrzeuge, betrieben mit Energie, die aus grünem Strom gewonnen wird. Erzeugt wird dieser gar in Fukushima, wo sich vor zehn Jahren mit drei Kernschmelzen im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi der schlimmste Atomunfall der Geschichte nach Tschernobyl ereignete.
Olympisches Doublespeak. Was daran stimmt, ist: Japan will Wasserstoff-Nation werden. Was daran gelogen ist: Japan – also: seine politische und wirtschaftliche Elite – denkt überhaupt nicht daran, gesteigerte Anstrengungen zu unternehmen, diesen Weg auch nachhaltig zu gehen. Der Strom, der für den Energiespeicher Waserstoff künftig benötigt wird, stammt vor allem aus australischer Kohle. Und aus Atomkraft.
Es spielt keine Rolle, dass keine seriöse wissenschaftliche Studie auf dieser Welt noch den ökonomischen Nutzen der Technologie im Vergleich zu erneuerbaren Energien nachzuweisen in der Lage ist. Japan will aus sicherheitspolitischen Erwägungen auf dem neusten kernphysischen Stand bleiben. Gegenüber den Nachbarn China, Nordkorea oder Russland soll für die Falken in der - konservativen bis rechtsradikalen - Liberaldemokratischen Partei das Signal ausgehen, dass Nippon bei Bedarf jederzeit eine Atombombe bauen kann. #Hiroshima #Nagasaki
Background-Propaganda:

Exciting to see #hydrogen-powered cars, torches and - very soon! - Olympic cauldron at #Tokyo2020, shining a new light on this promising, carbon-free technology #climateaction #olympiclegacy https://t.co/OgvmB9pemw
— Ewa Magiera (@ewa_magiera) July 18, 2021
During the #Olympics #Japan presents itself as #hydrogen nation and technological innovator. Meanwhile, it continues preparation work for a new #nuclear power plant in #Kaminoseki. A petition against is going viral. #Iwaishima https://t.co/9Ur0vlI0yK
— Andreas Singler (@AndreasSingler) July 16, 2021
⏩ The Olympic Village of #Tokyo2020 is open, athletes are arriving.
— Christian Klaue (@ChKlaue) July 13, 2021
⏩ When the Games are over, the Olympic Village will become Japan’s first hydrogen-powered town and a barrier-free complex.https://t.co/dFWxMZDUnM
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