
Mit der Publikation einer umstrittenen und international nicht anerkannten Landeskarte auf der Website des Organisationskomitees für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tôkyô sorgt Japan für Empörung bei Nachbar Südkorea. Es geht zunächst um Takeshima 竹島, wie es im Japanischen genannt wird, bzw. Dokdo (Tokutô 独島) im Koreanischen, zwei Felsen im Japanischen Meer bzw. dem Ostmeer aus koreanischer Sicht, die seit Jahrzehnten von Südkorea kontrolliert werden und auf die beide Länder Anspruch erheben. Mehr noch: Die Inseln der südlichen Kurilen, die die Sowjetunion 1945 mit Kriegsende annektierte, beansprucht der Olympia-Gastgeber auf dieser Karte nach wie vor für sich. Sodann stehen auch die von China und Taiwan für sich reklamierten Senkaku-Inseln zur Disposition. Und, als wäre dies noch nicht politische Instrumentalisierung der olympischen Sache genug, prangt auf den Uniformen von Japans Olympia-Golfer*innen auch noch das Muster des „Banners der Aufgehenden Sonne“ (kyokujitsu-ki 旭日旗), der vielen für japanischen Militarismus und die Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg steht. Der Ärger bei den Spielen ist damit vorprogrammiert.
Die ersten Steine des Anstoßes werden in der westlichen Welt als Liancourt-Felsen bezeichnet, kaum jemand kennt sie. Sie liegen rund 200 Kilometer entfernt jeweils von der südkoreanischen und japanischen Küste. 1905 einverleibte sich Japan die Inseln, in dem die Regierung sie per Kabinettsbeschluss der Präfektur Shimane zuordnete, um die Seehundjagd bei den Felsen zu legitimieren - oder, wie das japanische Außenministerium sich im Deutschen ausdrückt: „zu stabilisieren“.
Zwischen Japan und Südkorea begründet das Felsenpaar seit Ende des Zweiten Weltkriegs einen steten Quell des Streits und der diplomatischen Verwicklungen. So auch jetzt wieder. Seit das Organisationskomitee für Tôkyô 2020 auf seiner Website zur Veranschaulichung des Route des Olympischen Staffellaufes eine Japankarte veröffentlicht hat, auf der Inseln enthalten sind, die überhaupt nicht (mehr) dem japanischen Territorium zugehören, ist es schlecht bestellt um den vorolympischen Frieden.


Mit bloßem Auge sind die Eilande am Computer praktisch nicht zu erkennen. Aber sie sind da. Man braucht schon eine gute technische Ausstattung, die eine starke Vergrößerung erlaubt, um irgendwann diesen Schatten auf hoher See wahrzunehmen. Das Smartphone kann ihn darstellen, und wenn er nicht mit unterschiedlicher Vergrößerung auf dem Display wandern würde, könnte man ihn einfach nur für einen Schmutzflecken halten. Lange ist er niemandem aufgefallen. Südkoreanische Medien haben sich der Darstellung des winzigen Punktes nun aber mit Verve angenommen.

Bis jetzt hat nur Südkorea offiziell Empörung geäußert über diese schattenhafte, gleichwohl veritable politische Instrumentalisierung Olympias für nationale Zwecke, obwohl es nicht alleine betroffen ist. Wie die Nachrichtenagentur Reuters (01.06.2021) berichtet, bestellte die südkoreanische Regierung in Seoul den stellvertretenden japanischen Botschafter in der Angelegenheit ein, „um energisch gegen die ungerechtfertigte territoriale Beanspruchung von Dokdo zu protestieren“ und „um die sofortige Korrektur der Karte“ zu verlangen.
Längst nicht nur Oppositionspolitiker in Südkorea fordern nun sogar den Olympiaboykott. Nach Umfragen sind mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in Südkorea für einen Boykott. „Dokdo ist südkoreanisches Territorium“, erklärte Kim Bo-young, Mediendirektor des Nationalen Olympischen Komitees für Südkorea (KSOC). Außerdem müsse die politische Neutralität der Spiele garantiert bleiben. Das KSOC brachte seinen Protest auch in einem Schreiben an das IOC zum Ausdruck. Dieses hat für Montag eine Stellungnahme angekündigt.
Japans Ansprüche - kolonialistisch begründet
Die japanische Regierung wies die Proteste kühl zurück. „Takeshima ist angesichts historischer Fakten und internationalen Rechts Teil des japanischen Territoriums“, erklärte Chef-Kabinettssekretär Katô Katsunobu 加藤 勝信 vor Reportern (Reuters ebd.). So geht der Streit erbittert weiter. Unterdessen bemerkte der frühere, von 2009 bis 2010 regierende japanische Premierminister Hatoyama Yukio 鳩山 由紀夫 zu dem Disput per Twitter, dass auf Karten der Vereinigten Staaten von Amerika das Inselpaar als südkoreanisches Territorium ausgewiesen sei.
Japans politische Leitung tut ihrer eigenen Sache indessen kaum einen Gefallen, wenn sie die eigene Sicht in ihrem Propagandamaterial des Außenministeriums multilingual und kategorisch als „unbestreitbar“ darstellt - wird diese Position doch sehr wohl vehement bestritten. Und wenig klug erscheinen auch andere Aspekte der Regierungsstrategie. Ein eklatanter Fall von Postkolonialismus: Japan begründet seinen Anspruch auf Takeshima/Dokdo nämlich u.a. mit der Eingliederung der zusammen 0,2 Quadratkilometer großen beiden Inselchen und die Zuordnung zur Präfektur Shimane durch Regierungsbeschluss Anfang 1905 und damit, dass in der Folge niemand, auch nicht Korea, diesem Anspruch entgegengetreten sei (vgl. https://www.de.emb-japan.go.jp/territory/takeshima/pdfs/takeshima_point.pdf). Zynischer geht es kaum, denn 1905 erklärte Japan Korea zum Protektorat, fünf Jahre später verleibte es sich den Nachbarn als Kolonie ein.
Anders als von Japan behauptet verweist Südkorea übrigens nach eigenen Angaben durchaus in frühen schriftlichen Erwähnungen bereits auf Dokdo/Takeshima, die ältesten angeblich zurückgehend bis zum Beginn des 6. Jahrhundert (vgl. https://dokdo.mofa.go.kr/eng/dokdo/reason.jsp). Auch die Behauptung, nach dem Zweiten Weltkrieg seien die Inseln Japan zugefallen und dies sehe man daran, dass die Besatzungsmacht USA sie als Stützpunkt für Manöver verwendet habe, sieht Südkorea als widerlegt an. Der südkoreanische Fernsehsender Arirang TV berichtete von einem Kartenfund in Tôkyôs Nationaler Parlamentsbibliothek, wonach Japan selbst nach dem Zweiten Weltkrieg Takeshima/Dokdo als koreanisches Territorium betrachtet habe (vgl. Arirang News 2014, Zugriff unter: https://www.youtube.com/watch?v=P5tkf1dqDmw).
Den von Japan verlangten Gang vor ein internationales Schiedsgericht wiederum verweigert Südkorea beharrlich. Als zuletzt aber bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang Japan gegen eine Karte des südkoreanischen Gastgebers protestierte, auf dem Dokdo/Takeshima als dem südkoreanischen Hohheitsgebiet zugehörig ausgewiesen worden war, habe es die Karte um des Friedens bei Olympia willen ausgetauscht, macht das südkoreanische NOK geltend. Gleiches erwartete Japans Nachbar daher nun auch vom olympischen Gastgeberland. Damals übrigens posierte - auf olympischer Friedensmission - IOC-Präsident Thomas Bach vor der ursprünglichen, umstrittenen Karte zusammen mit Mitgliedern der gesamtkoreanischen Mannschaft.
Noch ein Konflikt, ganz klein - die Senkaku-Inseln
Seit der Übergabe Okinawas an Japan steht eine weitere Inselformation zwischen Japan und seinen Nachbarn zur Disposition: die heute unbewohnten Senkaku-Inseln (japanisch: Senkaku-Shotô 尖閣諸島) vor der Küste Taiwans. Auch diese Flecken sind auf der strittigen Karte des Organisationskomitees nur in extremer Vergrößerung zu entdecken. Sie werden der Präfektur Okinawa zugerechnet und sind Teil der japanischen Gemeinde Ishigaki, der größten japanischen Gemeinde südlich von Okinawa.

China und Taiwan erheben ebenfalls Ansprüche, seit Okinawa 1972 von den USA an Japan zurückgegeben wurde. Die USA stehen in dieser Angelegenheit hinter Japan. Gleichwohl droht auch dieser Konflikt im Vorfeld von Olympia und während der Spiele in Tôkyô erneut aufzubrechen (zum Standpunkt der japanischen Regierung siehe: https://www.mofa.go.jp/region/asia-paci/senkaku/pdfs/senkaku_pamphlet.pdf).
Nächster Gegner Russland: Auch die südlichen Kurilen werden von Japan beansprucht
Aber nicht nur gegenüber Südkorea, China und Taiwan ist die Japankarte des Organisationskomitees ein möglicher Affront. Im Prinzip hätte die russische Regierung mindestens so viel Anlass zur Empörung. Denn auf einen Teil der Kurileninseln, die sich zwischen Kamtschatka und Hokkaidô erstrecken, erhebt Japan auf der umstrittenen Landkarte - und dafür braucht man nun kein Vergrößerungsglas - ebenfalls Anspruch: Kunashiri, Etorufu, Shikotan und die Habomai-Inseln vor Hokkaidô.
Man muss das nicht gut finden, aber sie gehören zu Russland, weil 1945 die damalige Sowjetunion kurz nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki noch rasch die südlichen Kurilen besetzt hatte und seither nicht wieder hergab. Dieser Territorialkonflikt verhindert bis heute den Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Japan und Russland. Übrigens hatten beide Nationen ihre Ansprüche über die Inseln zwischen Ochotskischem Meer und Pazifik auf Kosten der wahren Besitzer, der indigenen Ainu, erst gewaltsam durchgesetzt.
Unschwer vorauszusagen, dass auch dieser Konflikt die Olympischen Spiele in Tôkyô noch belasten wird, sollte Japan nicht einlenken und eine weniger konfliktbelastete Karte zeigen. Um die Route eines Fackellaufs zu illustrieren, der angeblich dem Frieden dient, ist eine Karte, die auch noch den letzten strittigen Felsbrocken beinhaltet, zweifellos nicht zwingend. Und dass Russland wegen seiner unsäglichen, systematischen und institutionellen Dopingkultur offiziell von den Olympischen Spielen ausgeschlossen ist, muss nicht heißen, dass es zu diesen Vorgängen schweigt. Auch politische Meinungskundgebungen der - nicht nachgewiesenermaßen dopingbelasteten - individuell startenden russischen Sportler*innen vor Ort wären keine Überraschung.
Nationalismus trés chique.: Olympische Uniformen, gehalten in Kriegssymbolik
Und das ist noch immer nicht alles. Denn für Empörung über den Gastgeber Olympias sorgen nicht nur Gebietsstreitigkeiten, sondern auch der Umgang mit Japans „Banner der Aufgehenden Sonne“ (kyokujitsu-ki 旭日旗/engl.: Rising Sun Flag). Insbesondere unter ostasiatischen Nachbarn steht er für japanischen Militarismus und die Kriegsverbrechen Japans im Zweiten Weltkrieg. Ausgerechnet im Muster dieser symbolträchtigen und konfliktbeladenen Fahne nun wurden die Uniformen der japanischen Olympia-Golfer*innen designt. Nationalismus trés chique.
Die Regierung wiegelte abermals ab und beschrieb die Funktion der Fahne als eher folkloristisch (s.u.). Dass sie zum festen Inventar rechter Ultranationalist*innen gehört (siehe Fotos unten), sagt sie nicht dazu. Mit dem „Banner der Aufgehenden Sonne“ seien keine politischen Implikationen verbunden, erklärte Kabinettssekretär Katô bei einer Pressekonferenz am 18. Mai hingegen (vgl. MOFA, Zugriff unter: https://www.mofa.go.jp/a_o/rp/page22e_000892.html). Japans Nachbarn sehen das anders. Und Olympias Kritiker, wie sie in den Publikationen „NOlympics“ und „Tôkyô 2020“ umfangreich zu Wort kommen, sehen sich in ihren seit Jahren vorgetragenen Befürchtungen bestätigt: dass die Olympischen Spielen den Nationalismus in Japan beflügeln würden.
Stellungnahmen: Tôkyô 2020 uneinsichtig - IOC hält sich raus
Die Medienabteilung des IOC gab, nach einer Stellungnahme zu den Territorialstreitigkeiten gefragt, kein eigenes Statement dazu ab, sondern verwies auf das Organisationskomitee. Dessen Pressebüro entwortete dazu: "The map on the website is purely a geographical representation, and no political statement is intended in its creation”(E-Mail am 08.06.2021).
In Bezug auf die Problematik um den "Banner der Aufgehenden Sonne" schrieb das Pressebüro: "The rising sun flag is widely used in Japan; and it is not considered to be a political statement or discriminatory." Das IOC-Medienbüro antwortete auf die Frage nach der Haltung des IOC zur Verwendung einers so kontrovers diskutierten und politisch in höchstem Maße aufgeladenen Flaggenmusters für olympische Sportbekleidung: "As the IOC has said from the outset of this discussion, sports stadiums must be free of any political demonstration. When concerns arise at Games time we look at them on a case by case basis."
(Letzte Aktualisierung: 08.06.2021, 11.20 Uhr)


The Japanese Government on the "Rising Sun Flag"-problem
“As you all know, the design of the Rising Sun Flag models the shape of the sun like the national flag of Japan and is widely used throughout Japan, such as good catch flags used by fishermen and celebratory flags for childbirth and seasonal festivities. Claims that the flag is an expression of political or discriminatory assertions are false. The Government of Japan has explained, and will continue to explain at every opportunity its view that the display of the Rising Sun Flag is not political promotion, to the international community including the Republic of Korea.”
「旭日旗の意匠は日章旗同様、太陽をかたどっており、大漁旗や出産・節句の祝い旗等、日本国内で現在までも広く使用されているものであり、特定の政治的・差別的主張である等の指摘は当たらない。政府として、韓国を含め国際社会に向けて、旭日旗の掲示が政治的宣伝にならないという考えを累次の機会に説明しており、今後ともそうした説明を継続していきたいと考えている。」
東京五輪公式サイトの竹島表示、五輪組織委の武藤事務総長「削除しない」=ネットの反応「いや、もう既に削除されているようだが?… 確認できるやつおる? 視力のいい奴、確認してくれ」 https://t.co/nqKY4fsvCB
— アノニマス ポスト ニュースとネットの反応 (@anonymous_post2) June 3, 2021
【五輪HPの竹島掲載で抗議】東京オリ・パラ組織委ホームページの地図に島根県の竹島が表示されていることに、韓国外交部の李相烈アジア太平洋局長が日本の相馬弘尚・駐韓総括公使を呼び出し、削除を求めたことに、加藤勝信官房長官「韓国側の抗議は一切、受入れられないと反論した」 pic.twitter.com/sWrjGM0bsW
— Mi2 (@mi2_yes) June 2, 2021
韓国の大統領選の候補が竹島の日本領の表記を変えない限り韓国の五輪ボイコットもあり得ると発言したそうだ。可愛げのない発言だが、アメリカの地図では竹島は韓国領(独島)となっていることをご存知ですか。保守派のみなさんは親米なので抗議できないのですか。(孫崎さんとのUIチャンネルより)
— 鳩山友紀夫(由紀夫)Yukio Hatoyama (@hatoyamayukio) June 2, 2021
うっせぇわ!!おまエラだけは、ぜってぇ参加すんなってことだよ☝️(_ _)
— みずき地球に優しい問題児 (@mondaijiMiZuKi) June 1, 2021
韓国「日本の五輪ゴルフ代表ユニホームに旭日旗模様が!」 : ツイッター速報 https://t.co/eqj1L0bdDF
韓国は騒ぎ出したので、もしかしてこれは韓国による竹島の不法占領問題を国際社会に知らせる機会なのかもしれません。竹島はずっと日本の領土であり、ある日突然、韓国に占領されたという蛮行を世界に知らせたら、竹島問題における日本の立場への理解が進む可能性があります。https://t.co/ZKG8ECCSoL
— グレンコ アンドリー(新刊「NATOの教訓」発売中) (@Gurenko_Andrii) June 1, 2021
韓国与党議員「オリンピックを台無しにしたくなければ、日本の地図から独島を削除しなければならない」=韓国の反応 - カイカイ反応通信 https://t.co/e6tbPHnnsA
— 植津孝行 (@munakatazin) June 2, 2021
竹島は日本の領土だろ、どうかしたのかい・・・
日本、五輪ゴルフ代表ユニホームに旭日旗模様…「日が昇る国をイメージ」(中央日報日本語版)#Yahooニュースhttps://t.co/zjTNdHZ3uH
— Andreas Singler (@AndreasSingler) June 4, 2021
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